Brief I
Guten Abend,
während ich diesen Brief beginne, ist der Zeiger meines Weckers
bereits auf 21:30 Uhr vorgerückt.
Und welche Ironie, dass ich einen Brief, in dem ich
über meinen Wecker sprechen will,
mit meinem Wecker beginne,
in einem ganz unschuldigen Satz,
der noch nicht ansatzweise verrät,
was ich dir eigentlich über meinen Wecker verraten will.
Es ist eine Metapher, wie du dir vielleicht denken kannst.
Alles ist eine Metapher.
Aber nun beginne ich wirklich.
Und es beginnt vorletztes Jahr, 2011.
Weihnachten oder kurz davor.
Ich habe mir in diesem Jahr zu Weihnachten
einen Wecker gewünscht, der nicht tickt,
aber Zeiger hat.
Unter keinen Umständen sollte es ein Digitalwecker sein.
Jedenfalls war es schwer so etwas zu finden,
aber schließlich bestellten wir einen aus Holland
oder Dänemark.
Ich weiß es nicht mehr genau.
Auf der Verpackung versprach man mir,
dass dieser Wecker so leise tickte,
dass man es nicht hören würde.
Die ersten drei Nächte war es auch so.
Ich schlief ruhig durch, ohne von einem Weckerticken
gestört zu werden.
Aber dann wollte ich es wissen:
Funktionierte dieses blöde Ding überhaupt?
Also blendete ich eines Abend alle Geräusche aus
und konzentrierte mich nur auf den Wecker.
Und tatsächlich hörte ich ihn ticken.
Seitdem höre ich es immer.
Und ich weiß,
das ich es zunächst nicht hören konnte, war nur
eine Illusion.
Man bekommt gesagt es gibt kein Ticken und man nimmt es hin.
Weil man es nicht besser weiß.
Und wenn man es hinnimmt,
wird man auch kein Ticken hören.
Ich glaube solche Dinge
sind für Menschen gemacht, die nichts hinterfragen.
Ist es nicht eine herrliche Metapher?
Wir sind so beeinflussbar.
So schwach.
Wir dummen, mickrigen Menschen.
Weißt du, wir hören nur, was wir hören wollen.
Und wir sehen nur, was wir sehen wollen.
Ich würde dich gerne mal wieder sehen,
wo wir schonmal dabei sind.
Dich einfach ansehen
und wissen, dass du da bist.
Das wars auch schon.
Deine Jades
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Ich stehe nicht auf
Wenn ihr es sagt
Und ich setzte mich auch nicht
Wenn ihr mich bittet.
Bitte seid nett zu mir.
Ich bin doch noch so
Zerbrechlich